Dienstag, 28. April 2009

Ich und mein „Selbstfahr-Fahrzeug“

Vorletzte Woche haben sich DaLu und ich jeder ein Fahrrad (aus dem Chinesischen: Selbstfahr-Fahrzeug) gekauft für gerade einmal 25 €. Na okay, 26 €, weil ich noch ein Körbchen wollte. Jetzt fahre ich ein schickes neues Tuntenfahrrad mit Omasattel und Körbchen in hellblau. Das Fahrrad wurde aufgrund des Toppreises natürlich auf das Nötigste reduziert, allerdings ist alles dran, was man wirklich braucht. So habe ich neben meinem äußerst praktischen Frontkörbchen auch eine Klingel (auch in hellblau), von der ich den chinesischen Gegebenheiten entsprechend häufig Gebrauch mache. In Deutschland brauchte ich nie eine Klingel. Da reichte im äußersten Notfall auch Rufen. Aber hier? Was soll ich denn hier rufen? Entweder würde man gar nicht Notiz von mir nehmen oder mich sofort als Ausländer identifizieren, um mir anschließend gebannt starrend wie eine Fliege, die eine UV-Lampe ansteuert, in die Speichen laufen. Und so klingel ich eben. Und zwar oft. Meist machen sich die Leute nichts daraus und laufen oder fahren unverdrossen weiter in den Weg, aber eigentlich kann ich nur glücklich sein darüber, da sie mich ja so offenbar nicht als Ausländer erkennen. Aber so sind sie wenigstens gewarnt und ich beruhigt. Nur die sowieso schon verängstigten Vierbeiner sind vorsichtiger. Sie scheinen zu wissen, dass sie ratz batz in den Topf kommen, wenn sie nicht aufpassen. Gäbe es ein Aufkleber „Ich klingel auch für Hunde“ würde ich glatt ein kaufen. Ansonsten hat mein Fahrrad eigentlich nicht viel. Unnötige Dinge wurden einfach weggelassen. Keine Gangschaltung, kein Licht, keine Bremsen. Also Bremsen hat es schon, aber die sind so effektiv wie ein kräftiges Auspusten in Gefahrensituation gegen Fahrtrichtung. Allerdings geben mir diese Plazebobremsen doch ein sicheres Gefühl, wenn ich sie bis Anschlag widerstandslos durchziehe. Aber Bremsen sind sowieso viel zu überbewertet, jedenfalls wissen Chinesen, dass es auch ohne geht. „Wer bremst, verliert“, dass das ein Chinese gesagt hat, da möcht‘ ich wetten. In China fährt man stehts drum herum. Beim gefüllten Nachmittagsverkehr kann das schon einmal ein ganz schönes Drunter und Drüber ergeben. Wenn man hier etwas meistert, dann Antizipation.
Jedenfalls erlebe ich den Verkehr nun als aktiver Verkehrsteilnehmer aus einer ganz anderen Perspektive. Ich bin hier zwar schon Auto, Traktor, Minibus und sogar beladene LKWs gefahren, aber das war nichts im Vergleich zum Fahrrad. Zweimal die Woche fahre ich jetzt nach Langfang, also der nächsten großen Stadt, um ins Fitnesscenter zu gehen. Leider jedes mal zur Rush Hour. Bisher haben wir uns gefragt, für welche Zeit die Langfanger Infrastruktur ausgelegt ist mit den 8-spurigen Straßen, die immer leer sind. Damals dachten wir noch in Dekaden. Jetzt weiß ich’s, für die Zeit von 17:00 -18:00 Uhr. In dieser Zeit sind sowohl die vier Spuren Straße als auch die vier Spuren Fahrradstraße gerammelt voll. Da man sich generell nicht an Überhohl- oder Vorfahrtsregeln hällt, ist eine Fahrt in dieser Zeit reinstes Konzentrationstraining, vorallem ohne Bremsen. Doch spätestens wenn ein Taxifahrer das dritte mal nach deutschem Recht einem die Vorfahrt nimmt und einen dabei groß anglotzt, fängt man als Deutscher an, das Alphabet von Ar... bis Wi... durchzufluchen. Auf den Fahrradstraßen ist man davor im Großen und Ganzen gefeit. Dort schlägt man sich nur mit etwa 50 weiteren Fahrradfahrern pro Ar durch die Straßen, wobei Chinesen alles per Rad transportieren, von 3 Meter langen Baustahl bis 100 Liter - Kantinentöpfe ist da alles dabei. Hin und wieder (also etwa im 20 Sekunden-Takt) gibt es auch Geisterfahrer, die sich in diesem Gewühl auch noch in die andere Richtung drängeln müssen. Spannend wird es aber vorallem nachts, wenn man aufgrund fehlender Sonneneinstrahlung nichts mehr sieht. Zum einen ist man zwar um einiges einsamer als tagsüber, zum anderen sieht man ungesicherte Baustellen oft erst im letzten Moment. Auf der Landstraße kämpft man dann erst recht mit dem Problem der Sicht. Chinesen fahren entweder ohne Licht, um Strom zu sparen (Lieblingsfahrzeug der Chinesen ist das Elektrofahrzeug, was mit Licht betrieben mitunter nicht mehr die erforderliche Reichweite hat) oder weil es nicht vorhanden ist, oder mit Fernlicht. Gerade die Chinesen, die die auf dem Land extrem seltenen Xenon-Scheinwerfer haben, müssen damit natürlich prahlen und fahren gern mal lange Strecken mit Dauerlichthupe. Also sieht man Mitstraßenteilnehmer wie die ersteren erst auf dem letzten Meter, was zumeist wie ich Fahrradfahrer sind, oder man fährt blind dem Licht entgegen im doppelten Sinne. Doch auch hier kann ich mich etwas glücklich schätzen, dass Chinesen in Sachen Beleuchtung mir sehr seelenverwandt sind. Wo ich in Deutschland nachts wütend angehupt wurde, fährt man hier lässig einen großzügigen Bogen um mich und mit meinem Reflektor bin ich schon besser „beleuchtet“ als jedes andere Chinarad.
Und so fahre ich meine regelmäßige Strecke und habe endlich mal genügend Zeit, unbekümmert und ohne Ablenkung über Dinge wie Blogeinträge nachzudenken, sodass ausgeschlachtete Beiträge wie dieser entstehen können.

Freitag, 10. April 2009

Zeremonie der Ernennung zum Schüler

Heute morgen wurde ich nun offiziell in einer spirituellen Zeremonie zum Schüler meines ShiFus, Meister Xing, ernannt. Angefangen hat die ganze Prozedur damit, dass alle Kandidaten eine Liste mit Regeln bekommen haben, die wir studieren mussten und nach denen wir ab sofort leben müssen. Für mich und Terry hieß das erst einmal, sich zusammenzusetzen und zu übersetzen. Die Regeln bestehen im Prinzip daraus, dass ich meinem ShiFu loyal bleiben soll, mein Wissen nicht zu schlechten Taten missbrauchen soll, mich nicht selber damit bereichere, Leuten in Not ohne zu zögern helfe und stets nach Fortschritt streben soll. Insgesamt gibt es zehn solcher Regeln. In einer ersten Versammlung wurden alle Schüler untereinander vorgestellt und erläutert, warum denn diese Person würdig ist, Schüler zu werden. Zudem wurden unsere Geburtsdaten gesammelt. Zwei Tage später (also heute) war dann die eigentliche Zeremonie. Morgens um 7 wurden wir in das Gebetszimmer von Meister Xing gebeten, der einzige Raum, den ich bis dato noch nicht gesehen hatte. Die Einrichtung sieht so aus, als hätte sie den Gegenwert von ganz TianZhenYuan. Sie bestand aus einem riesigen Holzbuddha, der aus einem Stück geschnitzt ist, edlen chinesischen Möbeln, Porzellanvasen, Wandgemälden und Gebetskissen. Rausgeputzt wurden wir acht Anwärter in den Raum geführt, wo wir unsere Schuhe ausziehen mussten und einem Kissen zugewiesen wurden. Uns wurde gezeigt wie man sich richtig verbeugt. Nach dem Trockendurchlauf wurde die gleiche Prozedur ohne Kommentare wiederholt. Als nächstes hat Meister Xing ein Schreiben vorgelesen, in dem er seine Ahnen(?) bittet, uns als Schüler aufnehmen zu dürfen. Das Schreiben wurde daraufhin verbrannt und in eine Brandschale geworfen. Nun waren wir an der Reihe. Wir mussten unsererseits Schreiben verfassen, in denen wir bitten, Meister Xings Schüler zu werden und versprechen, seine Regeln zu befolgen. Auch diese wurden anschließend verbrannt. Insgesamt hat die Zeremonie eine Stunde in etwa gedauert.




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PS: Passt zwar nicht zum Thema, aber Albert ist tot :-(
Dafür haben wir jetzt eine Katze!