Montag, 1. Dezember 2008

Zugfahren

Die letzte Zugfahrt nach Hause war die reinste Katastrophe. Wir hatten zwar Sitzplatzkarten, aber hatten gar keine Möglichkeit, auch nur annähernd in die Nähe der Plätze zu kommen. Der Zug war derart überfüllt, dass man sich gar nicht bewegen konnte, aber auch wirklich gar nicht. Obwohl wir eine halbe Stunde vor Abfahrt da waren, kamen wir gerade so rein. Hinter uns kamen dann noch etwa 20 Leute,die aggressivst von den Beamten reingedrückt wurden. Als dann einer der Passagiere mit einem Polizisten draußen einen Streit anfing und gebrüllt und sogar mit Flaschen aufeinander eingeschlagen wurde, habe ich die Nerven verloren und Panik bekommen. Ich bin dann Amok gelaufen, nur um aus diesen Zug wieder rauszukommen. Ich wusste gar nicht, was ich am meisten hassen sollte in dem Moment. „Okay“, dachte ich mir, „dann gehst du eben als Letzter rein, dann bekommst du wenigstens ein bisschen Luft und wirst nur gegen die Tür gequetscht.“ Naja, war natürlich nicht so. Ich stand zwar auf den Brettern, die den Zug mit dem Bahnsteig verbinden, mit etwa zehn anderen, die noch nicht im Zug waren, allerdings wurden mir diese dann irgendwann unter den Füßen weggezogen, sodass ich aufpassen musste, nicht ins Gleisbett zu fallen. Die Tür wurde daraufhin mit viel Gewalt und Geschrei geschlossen. Einige von den Leuten, die draußen standen, sind durchs Fenster geklettert. Im Zug bewegte sich gar nichts. Ging auch nicht. Die, die noch draußen blieben, sollten die anderen Türen versuchen, aber da sah es überall genauso aus. Zu Lukas² hatte ich keinen Kontakt mehr, anrufen ging nicht, weil zur Krönung einen Abend vorher mein Handy geklaut worden war, Sichtkontakt war auch nicht und zum Rufen war es viel zu laut. Ich plante dann, mich beim Kartenverkauf irgendwie zu beschweren, um mein Geld zurückzubekommen, in die JH direkt gegenüber zu gehen und am nächsten Tag nachzukommen. Allerdings wurden dann die Zugzwischenräume von den Schlafwagen aufgefüllt, wo ich auch mit hineinsollte. Ich habe dann die ganze Fahrt zwischen zwei Wagons verbracht, wo es arschkalt und laut war. Gott sei Dank habe ich mir noch eine Stunde vorher so einen kleinen Angelhocker gekauft, wo ich mich mit Mühe und Not draufsetzen konnte und hatte ein Buch dabei, sodass ich mir irgendwie die Zeit vertreiben konnte. Jetzt versteh ich erstmal, was in Chinaberichten gemeint ist, wenn vom „Wasserloch in der Wüste“-ähnlichen Szenen beim Einsteigen in den Zug die Rede ist. Ich denke, dass ich nervlich und körperlich ziemlich stark bin, aber da habe ich innerhalb von 5 Minuten Panik bekommen und hatte nur Hass, vor allem auf die Beamten. Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass sie mich gleich zusammenschlagen, so aggro wie die drauf waren. Da war es auch scheißegal, dass wir Ausländer waren. Beim Aussteigen wurden dann die raus getragen, die es nicht verkraftet hatten und nur noch wie tot hingen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hätte Max das Fahrgeld für die etwa einstündige Zugfahrt zurückerstattet bekommen, dann hätte er mit den 13 RMB, ca.1.50 €, die Übernachtung in der JH fast finanzieren können.